Was kann man machen, wenn man in seinem Schrank feststellt, dass die Pestogläser kurz vor dem Verfallsdatum stehen? Klar, man kann sich für eine Marathonteilnahme entscheiden, denn dafür esse ich meistens viele Nudeln mit Pesto.
Das ist natürlich nur ein kleiner Fakt, der mich zu dieser Teilnahme gebracht hat. Im Jahr 2019 waren wir zuletzt hier und haben beim Halbmarathon und Marathon teilgenommen. Die Zeit mit Corona hat ein ziemliches Loch gerissen und die Teilnahme an Wettkämpfen waren in den letzten Jahren tatsächlich dünn, auch wenn ich die Brockenläufe seit 2013 nie ausgelassen habe – außer 2020, da stand kein einziger Wettkampf auf dem Plan, da der Brockenlauf in diesem Jahr auch ausgefallen war.
Die volle Distanz des Freiburger Marathon ist für mich eigentlich nicht so spannend. Nicht, weil “die Runde” nicht schön wäre, nein, sondern weil es zwei zu laufende Runden sind. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich mich auf diese Reise begab. Nur einen Nachteil hat es auf jeden Fall: Nach der ersten Runde ist das Teilnehmerfeld extrem viel kleiner, sodass es manchmal gefühlt ganz schön einsam sein kann, obwohl man sich auf einem Wettkampf in einer Stadt befindet. Zuletzt war das auf der zweiten Runde schon so, dass Bands abgebaut oder teilweise nicht mehr gespielt haben, auch Streckenabsperrungen wurden schon zusammengeschoben, was einem nicht grad den gewissen Auftrieb brachte. Aber das ist ja schon wieder einige Jahre her und vielleicht ist es ja diesmal anders. Hauptsächlich wollte ich aber einfach mal wieder einen Marathon laufen und dieser Lauf ist von meiner Haustür gerade mal 13 Kilometer entfernt, also optimal für eine entspannte Anreise.
Gegen einsame Wettkämpfe habe ich ansonsten nichts einzuwenden, denn wer mal den Fehmarn Marathon gelaufen ist, der weiß was einsam bedeutet.
Das Wetter war in der Vorhersage eine Katastrophe: Regen, starker Wind und so 11-13°. Solch ein Wetter hat man beim Freiburger Marathon eher selten, aber diesmal sollte es eben nicht so schön werden. Ok, das hat auch für manche Vorteile, aber den Wind hätte ich nun wirklich nicht gebraucht.
Egal, auf Bestleistung war ich auch gar nicht eingestellt. Einen Wunsch hatte ich jedoch im Kopf, denn unter vier Stunden solle es möglich sein, auch wenn ich diesmal so gar nicht auf Marathon trainiert hatte. Zwar war ich drei Wochen zuvor und auch zwei Wochen zuvor noch mal schnell einen Halbmarathon durchziehen, aber so richtig Härte entfaltet das ja auch nicht. Pah, dachte ich mir, ich laufe den trotzdem, mal sehen wo ich am Ende stehe.
Ich lege mir aufgrund meiner aktuellen Leistung immer einen ungefähren Plan zurecht, was dann noch manchmal kurz nach dem Start angepasst wird. Denn eines kann ich nie genau bestimmen: Wie gut ist der Körper tatsächlich kurz nach dem Start? Kann ich die gewünschte Pace laufen oder muss bzw. sollte ich sie anpassen. Das ist immer sehr spannend.
Um die ersten 30 Kilometer mache ich mir eigentlich nie Sorgen, aber woher sollte ich wissen, wie es danach aussieht? Hier kommt es ja drauf an, wie stabil man so ist. Auch macht es sich ab dem Zeitpunkt erst bemerkbar, ob man ggf. zu schnell den ersten Teil absolviert hat. Daher war ich schon fast aufgeregt, ob ich mich bei Kilometer 35 oder 37 noch so fühle wie bei Kilometer 30 oder eben nicht. Ob mir das wohl gelingen würde optimal durchzukommen, sprich mit Maximalgeschwindigkeit ohne den Hammer zu spüren? Ich war optimistisch, da ich mich bislang eigentlich immer sehr gut einschätzen konnte, was meine Leistungsfähigkeit angeht.
Der Plan: die erste Runde etwa 1:55 Std. und die zweite Runde minimal schneller. Das ist ohne Training eigentlich Wahnsinn, aber was sollte schon passieren? Eines war jedenfalls sicher, ins Ziel komme ich, auch kriechend wenn es sein muss.
Der Start direkt nach der Sommerzeitumstellung war um 9:30 Uhr. So ging es um 8:30 Uhr mit Oli und Alex los zum Ort des Geschehens. Diesmal wollte ich davor gar nicht so viel rumgammeln, sondern mehr oder weniger direkt auf die Strecke. Lieber danach ausgiebig platt rumliegen und nur noch essen.
Und damit standen wir dann auch recht schnell im Startblock C, denn ich hatte eine Zielzeit von 3:59 Std. bei meiner Anmeldung angegeben. Kurz vor dem Start begann es mal kurz zu regnen, aber egal, jetzt wird eh geschwitzt.
Da war ich nun auf der Strecke, der Körper fühlte sich leider so gar nicht nach Marathon an. Auch hatte ich vor dem Lauf so gar keine Stimmung für einen langen Lauf. Irgendwie fühlte sich das so an, als würde ich grad zu einem Kurzstreckenlauf ansetzen. Seltsam, denn sonst sagt mein Hirn dem Körper immer, was da jetzt kommt und dann fühlt es sich auch so an. Aber, dieses mal sollte es wohl anders sein.
An der Stelle des Feldes, wo ich mich befand, war ich genau richtig. Die Pace lag so etwa bei 5:30 bis 5:45 min/km, was genau meiner gewünschten Pace entsprach. Was mich aber nach wenigen Kilometern plötzlich noch irritierte war, dass ich so gar nicht in den Flow kommen wollte. Der Körper fühlte sich so unheimlich schwer an und bereits bei Kilometer 9 dachte ich mir, dass das ein echt schweres Ding wird. Wahnsinn, so früh grübelte ich schon, wie ich die Distanz überstehen sollte. Wie ich schon sagte, ich war so gar nicht in der Stimmung – der Körper war es jedenfalls nicht.
Ich versuchte weiterhin in den Laufmodus zu kommen. Das wollte mir aber nicht gelingen. Bei Kilometer 15 dachte ich, wie schön es wäre, wenn ich gleich ins Ziel laufen könnte… Boah, ey, was sollte das denn? Seit wann denke ich denn sowas? Unglaublich! Ich war sehr überrascht. Das kannte ich so nicht, aber das ist wohl das Resultat einer Null-Vorbereitung. Da hatte mein Körper so überhaupt keine Lust.
Die Laufkilometer der letzten drei Monate sahen übrigens so aus:
Dezember: 143 km
Januar: 133 km
Februar: 80 km
März: 62 km
Auch vor Dezember sah es nicht besser aus. Nach dem letzten Brockenlauf im September pausierte ich erstmal und regenerierte ausgiebig, soweit nichts außergewöhnliches. Aber danach hatte mich mein Beruf so gefordert, dass ich seit Oktober sehr oft 12 Stunden unterwegs war und danach zumindest unter der Woche keine Kraft mehr hatte, irgendein Training zu starten. Dazu alle anderen Umstände wie kalt, dunkel und vor allem keine Lust. Ja, ich habe immer gesagt, ich laufe nicht, wenn ich keine Lust habe. Das hab ich entsprechend durchgezogen.
So kam es, dass ich nach dem Minimalprinzip irgendwelche Trainings absolvierte. Meist am Wochenende mal kurz einen 10er. Langstrecken hab es nicht. Ich bin nur am 03.01., 05.03. und am 11.03.2023 jeweils einen Halbmarathon gelaufen. Die lagen zeitlich so bei 1:51-1:55 Std.
Erfahrene Sportlerinnen und Sportler dürfen jetzt gern äußern: Total bescheuert, mit diesem Umfang an einem Marathon teilzunehmen. Da kann ich nur zustimmen, auch wenn ich zunächst dachte, das wird schon irgendwie klappen.
Soviel also zu der Vorbereitung, die man so nicht nennen kann, zumindest nicht für einen Marathon. Bei Kilometer 17 bemerkte ich, dass das Teilnehmerfeld um mich herum immer schneller wurde. Da lag die Pace so bei 5:15 min/km auf den letzten Kilometern, wie mir meine Uhr immer mitteilte. Ich bemerkte das zwar und eigentlich hab ich mich da auch unter Kontrolle, aber diesmal hatte ich mich von dem Strom treiben lassen. Natürlich ein Fehler, denn zunächst merkt man es ja nicht so, aber später sieht das ganz anders aus. Zumal war ich eh schon ziemlich down.
Kurz vor der Halbmarathondistanz standen Oli und Alex am Streckenrand. Ich stoppte kurz und äußerte: “…jetzt kommt die Brechstange…”
Nachdem die Masse zum Ziel die Strecke verließ, ging es für wenige Marathonis weiter auf die zweite Runde. Einsam… ich sah vielleicht 6 Läufer vor mir. Ok, das war mir ja nicht unbekannt, trotzdem ist es noch einmal was anderes, wenn man so hinüber ist.
Ich spürte, wie mein Körper so gar keine Kraft mehr hatte und um nicht komplett zusammen zu brechen, drosselte ich ab dem 25. Kilometer meine Geschwindigkeit. Ich habe sodann um eine ganze Minute pro Kilometer verlangsamt. Oh man, und das schon so früh, dachte ich. Dabei beginnt ein Marathon doch erst ab dem 30. Kilometer. Wie sollte das erst 5 Kilometer später werden? Oder beim 35. Kilometer? Ich hatte zu der Zeit schon bedenken, ob ich dann überhaupt noch laufen könnte.
In diesem Zustand zog sich jeder Kilometer wie Kaugummi. Die Füße begannen zu schmerzen, was mich dann so beim 30. Kilometer dazu zwang, dass ich die Schnürung lockern musste. Das musste ich noch nie! Ich hatte das Gefühl, dass meine Füße die Schuhe bald zum Platzen bringen könnten. Unfassbar, was war denn bloß los? Und so kam dann eines zum anderen.
Kilometer 32: Noch 10 Kilometer… ich hämmerte mir in den Kopf, dass es nur noch lächerliche 10 Kilometer sind. Das werde ich wohl jetzt auch noch schaffen.
Was soll ich sagen, jeder Kilometer war die Hölle. Jeder einzelne! Ich hatte schon Sorge, dass meinem rechten Fuß etwas passiert ist, denn der fühlte sich so gar nicht gut an. Jede Verpflegungsstation nutzte ich sehr ausgiebig mit allem, was es dort gab und nutzte die Zeit zum Gehen. Diese Gehpausen waren angenehm für den Fuß, aber auch für die Beine – im Prinzip für eigentlich alles. Wenn ich übrigens eines überhaupt nicht leiden kann dann ist es, wenn ich im Wettkampf vom Gehen wieder ins Laufen wechseln muss. Diesmal nervte mich das wirklich sehr.
Zugegeben, ich hatte es zwar in gewisser Weise erwartet, dass es so passieren könnte, war mir aber sehr sicher, dass dieses Gefühl des Abschmierens erst später eintritt. Da lag ich mal weit daneben. Wenn man beim 9. Kilometer schon denkt, dass es hart wird, dann wird das niemals wieder besser und zum Ende natürlich immer schlimmer. Ich war ja froh, dass ich die Geschwindigkeit bei Kilometer 25 verlangsamt hatte. Wer weiß, wie ich sonst so bei Kilometer 37 gekrochen wäre. Nein, ich will es gar nicht wissen!
Wie ich schon sagte, die letzten Kilometer waren wirklich fies. Sehr, sehr viele Marathonis zogen an mir vorbei. Das war ein sehr komisches Gefühl. Sonst konnte ich immer noch ein wenig Gas geben. Mein Puls blubberte vor sich hin, dem ging es gut, aber der Körper war einfach platt und das schon sehr lange. Die letzten zwei Kilometer wurde das natürlich auch nicht besser, sondern um ein Vielfaches schlimmer.
Der letzte Kilometer brach an und dann wollte ich es noch einmal wissen. Hätte ich noch schneller laufen können? Auf den letzten 300 Metern schraubte ich die Pace nochmal auf 4:30 min/km, aber ihr könnt mir glauben: wäre die Strecke noch 100 Meter länger gewesen, dann hätte ich mir selbst das Licht ausgeknipst.
Ich war so froh, als ich im Ziel war. Endlich stehen!
Diese Herausforderung war wirklich eine meiner härtesten. Es ist etwas anderes, einen Wettkampf gut vorbereitet zu bestreiten und sich dann platt zu laufen, als so wie ich dieses Mal beinahe ohne Marathon-Härte sowas zu machen. Das ist eine ganz andere Welt. Vor nicht einmal neun Monaten bin ich aus Spaß einen Marathon gelaufen in unter vier Stunden, diesmal war das nicht möglich. Das passiert mir so in der Form nicht noch einmal. Aber einen Tag danach muss ich sagen, insgesamt trotzdem eine schöne Erfahrung.
Das war diesmal jedenfalls ein Lauf mit dem Kopf und nicht mit dem Körper. Das fühlt sich nicht ganz so gut an, aber der Kopf hat trotzdem gewonnen. Insgesamt lag meine Pace dann bei 6:09 min/km, also eine Endzeit von 4:19:13 Std. Das ist natürlich nicht so wichtig, denn ich hab die Medaille und das ganze durchgestanden.
Nach dem Lauf ist vor dem Lauf, wie immer! Dann mit Oli noch eine Dose Whiskey getrunken und später dann gab es noch ne große Pizza! Und ganz nebenbei erwähnt: Vor genau 10 Jahren sind Oli und ich hier unseren ersten Wettkampf gelaufen!
Und wie sieht es heute mit meinem Körper aus? Zugegeben, ich hab es mir schlimmer vorgestellt. Ich habe natürlich schönen Muskelkater in den Oberschenkeln, aber die Füße sind ok und auch sonst ist alles nur minimal belastet. Kein Vergleich zu gestern auf der Strecke. Von daher, alles soweit heile, wenn man das so nennen kann. Jetzt mache ich erstmal einen Monat gar nichts, das ist sicher!
Kurz zum Lauf selbst: Die Strecke hatte mir eigentlich nicht so gut gefallen. Ich hatte auch gar nicht das Gefühl, dass so viele Bands am Streckenrand waren. Aber vielleicht war ich auch zu sehr mit mir selbst beschäftigt. Speziell war es allerdings einige Mal so, dass von einer breiten Straße in eine schmalere Gasse gelaufen werden musste, was zu kurzem Stocken führte. Klar, ich war auch total im Getümmel, aber das war bei der alten Strecke nicht so, oder mir ist es damals nicht so aufgefallen. Die Verpflegung war gut wie gewohnt. Vielen Dank an die Organisatoren.
Einen Gruß auch an Christian, der mich ziemlich am Anfang angesprochen hatte, ob ich nicht der bin, der immer auf den Brocken rennt. Sorry, dass ich nicht so gesprächig war, aber irgendwie hatte ich mit mir selbst zu tun diesmal.
Sportliche Grüße
Alex
Hey Alex,
wenn man überlegt, dass bei 0,0 Vorbereitung sowas noch bei dir rauskommt, na dann ein hoch auf dich und deine super Leistung!!!
Oli und ich konnten jedenfalls ziemlich mit dir mitfühlen, da wir bei unseren Läufen immer in diesem Zustand sind 😉
Also Chapeau!!!!!
Dann mal gute Erholung und ich freu mich wieder auf gemeinsame Läufe – du im Wohlfühlmodus / ich im Kampfmodus 😉
Gruß zurück! No problem! Bei mir war es dieses Mal auch nicht so doll. Die Strekce war bis Haslach verstopft und irgendwie war es bei mir hinten raus auch nicht mehr so doll,
Wir sehen uns beim Brockenlauf!Den 10er bin ich letztes Jahr zum Test gelaufen – dieses Jahr will ich es wissen;-)!