Brockenlauf 2022

Meine 9. Teilnahme an meinem Lieblingslauf war hart, aber trotzdem konnte ich mit dem zufrieden sein, was ich diesmal erreicht hatte.

Aber jetzt erstmal ein kurzer Rückblick zu den Vorbereitungen. Denn eigentlich hatte ich nach meiner letzten Teilnahme 2021 das Gefühl, ich müsste mal wieder richtig Gas geben. Das Ziel war schnell gefunden: Den Rekord von 2017 knacken. Also Fokus setzen und diszipliniert das Jahr 2021 und 2022 erleben. Ich wusste, dass ich dafür ganz sicher genau diese Läufe brauche, die mir die wichtige Stabilität geben würden. Also schön lange Läufe und viel Hügel in die Trainings einbauen.

Im Nachhinein betrachtet genau das, was ich nicht gemacht habe. Zwar habe ich bis Ende August 2000 Kilometer in Laufschuhen zurückgelegt, nur leider waren keine wirklich längeren Läufe dabei. Und damit meine ich Runs von 25-30 Kilometer. Bis auf diese Idee, einen Marathon aus Spaß zu laufen, weil ich genau vor 10 Jahren meine erste Marathondistanz erlebte. Auch klar, dass danach erstmal Laufpause angesagt war und dadurch einige Zeit kein Training stattfand. Gewiss, ich bin insgesamt viel gelaufen, habe einige Intervalle gerissen und auch das Gewicht konnte ich relativ stabil halten. Aber…

In meinem Kopf bin ich durchweg auf Realismus gepolt. Das bedeutet, dass ich eigentlich immer genau weiß, was ich leisten kann und was nicht. Ich könnte auch sagen: mein Puls lügt nicht. Der, der genau weiß, bei welchem Puls er wie schnell laufen kann, weiß wo er steht und was möglich ist. Ein ziemlich schweres Brett war auch die Temperatur hier im Süden. Denn gefühlt waren meine Trainings alle bei über 30°C im Schatten, gepaart mit einer meistens sehr hohen Luftfeuchtigkeit. Und da ich weder morgens oder abends laufe, hatte ich immer das Vergnügen in der bratenden Sonne laufen zu können. An sich nicht weiter schlimm, nur ist gleichzeitig der Puls auch etwas höher und die Muskeln kommen gar nicht in den Genuss des Brennens bzw. der Belastung. Nebenbei hab ich noch 1000 Kilometer auf dem Fahrrad zurückgelegt. Einige Trainings ließ ich meine Oberschenkel richtig weinen, aber immer wieder kam mir trotzdem der Gedanke: das reicht nicht für meinen Rekord. Das fühlt man irgendwie.

Und so sagte mir mein Körper schon Anfang August: Alex, du bist fertig. Ja, war ich, erschöpft und kaputt. Der Körper hatte einfach keine Lust mehr irgendwas zu wuppen. Jeder Lauf war irgendwie schwer. In meinem Kopf hatte sich der Satz “Das packst du nicht” festgebrannt. Da hatte ich mich wohl etwas vertan und hab mich niedergerannt. Viel zu ineffektiv, würde ich jetzt, eine Woche nach dem Brockenlauf, behaupten. Zuletzt bin ich nur noch Distanzen von 10-12 Kilometer gelaufen und habe irgendwie versucht die Fitness zu halten. Zu mehr fehlte einfach der Antrieb.

Ich versuchte das Jahr mit dem Jahr 2017 zu vergleichen, was genau die Unterschiede waren. Ja, ich war damals zwei Marathon vor dem Brockenlauf gelaufen und hatte einige Wettkämpfe erlebt und, das durfte ich auf keinen Fall vergessen, ich war fünf Jahre jünger.

Egal, dachte ich, ich kann sowieso nur das leisten, was ich zu leisten in der Lage bin. Mehr geht eh nicht. Ich war so fit wie es eben ging und am Ende würde sich zeigen, wo ich stehe. Das hab ich immer im Kopf, das schmälert auch nicht meine Motivation oder kratzt an meiner Einstellung zum Laufen. Es ist einfach meine Art der Realität ins Auge zu Blicken. Bin ja kein Träumer in der Sache, ich kann mich selbst nur extrem gut einschätzen.

Zugegeben, ich hätte die 5 Monate zuvor auch etwas disziplinierter angehen können. Habe ich aber irgendwie nicht. Durch diese zuletzt sehr sommerlich heiße Zeit war ich sehr oft mit Oli am Pool und da haben wir das Leben genossen. Ich will jetzt nicht unbedingt sagen, dass mich das so sehr reingerissen hat, aber optimal war das ganz sicher auch nicht. Egal, weil neben Job, der gesellschaftlichen Entwicklung sollte man auch jede Minute seiner Freizeit genießen – solange es noch geht.

Meine Anreise in den Harz war am Mittwoch, sodass ich noch zwei Tage der Ruhe genießen konnte. Am Donnerstag hatte ich noch kurz eine gestorbene Tanne gefällt und komplett zerlegt, was mir, wer hätte das gedacht, einen Muskelkater spendierte. Das war irgendwie schon vorhersehbar, denn eine ungewohnte Tätigkeit sollte man natürlich nicht machen. Naja, so schlimm war der Muskelkater nicht, aber gespürt habe ich ihn trotzdem.

Am Abend gab es dann Nudeln, genau wie am Freitag. Und zwar so viel wie nur ging. Daran habe ich die letzten Jahre nicht gerüttelt und das ist bei mir vor jedem Wettkampf so. Ich habe mir noch die Zwischenzeiten von 2017 auf einen kleinen Zettel geschrieben und mir an die Uhr geklebt, damit ich wusste, wo ich wann sein müsste. Und dann bin ich auch recht zeitig ins Bett gewandert, damit ich schön ausgeschlafen bin, denn um 6:30 Uhr sollte der Wecker klingeln.

Und dann passierte etwas, was mir noch nie passierte: ich konnte nicht einschlafen. Ich bin fast wahnsinnig geworden. Hatte ich mir unbewusst Druck gemacht? War ich tatsächlich aufgeregt? Es fühlte sich zwar nicht so an, aber der Körper reagierte eben. Zu allem Übel bekam ich auch noch Bauchschmerzen. Schlimmer ging es fast nicht. Ich glaube, um 3 Uhr bin ich dann auch endlich mal eingeschlafen.

Wie ihr euch vorstellen könnt, war ich um 6:30 Uhr top fit. So im Durchschnitt schlafe ich generell nur so 5-6 Stunden, aber diesen geringen Schlaf habe ich schon gemerkt. Ändern konnte ich es nicht mehr, also weiter wie gewohnt. Zum Frühstück gab es ein leichtes Brötchen mit Honig und ein Haferriegel. Die Bauchschmerzen waren zum Glück weg und etwas später um 8 Uhr dann Abfahrt nach Ilsenburg.

Der Marktplatz war schon gut gefüllt und ich hatte noch knapp eine Stunde Zeit bis zum Startschuss. Wie immer noch ein Stück Banane und einen Schluck Wasser. Diesmal, anders als sonst, wollte ich mich aber ein wenig warm machen, sodass ich so 25 Minuten vor dem Start eine kurze Runde drehte. Der Körper funktionierte, soweit so gut.

Und zack, stand ich auch schon in der Startaufstellung und gleich würde es losgehen. Ich sagte mir selbst noch: Die nächsten zwei Stunden und paar Minuten werden jetzt sehr hart werden. Und dann bewegte sich auch schon das Feld… Auf geht’s!

Mal sehen was der Körper so packt, dachte ich und beobachtete oft meinen Puls. Sah zunächst ganz gut aus und ich war auch die erste Zeitmessung gespannt. Nach 3,3 km war es dann soweit. Der kleine Zettel an meiner Uhr zeigte mir eine Zeit von 18:13 min. Meine Uhr stand bei 18:01 Min, als ich die Loddenke-Kontrolle passierte. Gut, dachte ich, ich bin mal 12 Sekunden schneller…

…doch gleichzeitig war ich schon hoch belastet und mein Kopf sprach: Lieber Körper, das hältst du in der Pace nicht durch. Mein Puls pendelte sich plötzlich viel zu hoch ein für diesen leichten Anstieg. Ich habe aber nicht aufgegeben, denn schließlich wollte ich sehen, wo ich am Ende stehe. Bei der zweiten Kontrollstation fehlten mir schon 25 Sekunden, an der dritten Station bereits 58 Sekunden. Das hört sich nicht nach viel an, aber die, die den Brockenlauf kennen und auch noch wissen, wie schnell ich bergab laufe, werden erahnen, dass ein Aufholen so gut wie unmöglich ist.

Wie 2017 schon bin ich bis zur Herrmannsklippe nicht einmal gegangen. Trotzdem ärgerte ich mich unheimlich beim Abbiegen auf den Hirtenstieg, dass meine Waage zwei Kilogramm mehr als damals zeigte. Waren diese lächerlichen zwei Kilo denn nun dafür verantwortlich, dass ich auf dem Brockengipfel 2:09 Minuten zu spät war? Auf dem Hirtenstieg zählt jedes Gramm, das geistert bei mir immer im Kopf. Ich hatte versucht, den Hirtenstieg so oft wie möglich zu laufen. Gefühlt war ich auch sehr oft im Laufschritt unterwegs, aber das war einfach zu hart und ich fühlte mich so dermaßen schwer, dass ich immer wieder gehen musste. Aber irgendwann waren auch diese drei harten Kilometer vorbei.

Nach dem Gipfel und dem Besen der Brockenhexe lief ich nun bergab und schaute auf die Uhr, dachte bei mir, wie ich nun diese 2 Minuten wieder aufholen könnte. Ein Wort schoss mir sofort durch den Kopf: Unmöglich!

Damals bin ich so schnell runter gelaufen, dass ich die 14,1 Kilometer im Durchschnitt mit 4:03 min/km donnerte. Mit Blick auf die Uhr sah ich meine aktuelle Pace: 4:30 min/km. In Verbindung mit meiner Analyse meiner aktuellen körperlichen Verfassung musste ich schon lachen.

Meine Oberschenkel fühlten sich an, als steckten Messer auf jeder Seite im größten Muskel und drehten sich im Kreis. So ein Gefühl hatte ich bislang auch noch nicht. Meine Beine hatten so überhaupt keine Lust auf bergab. Das kannte ich so auch noch nicht, denn eigentlich freute ich mich immer auf das Bergabgemetzel, da konnte ich es immer schön krachen lassen. Diesmal aber nicht. Der Puls pumpte da im gemütlichen Bereich vor sich hin, damit meine ich den gelben bzw. mittleren Bereich, aber die Beine limitierten einfach. Einfach gesagt: ich hatte schlicht keine Kraft für mehr Leistung.

Ich würde den Begriff eigentlich vermeiden, aber es fühlte sich so an, als schlenderte ich nun den Berg runter, ohne den Kreislauf zu belasten. Aber die Beine schmerzten und meine Konzentration ließ auch noch nach und ich bin zweimal in so eine kleine Mulde getreten, dummerweise auf beiden Seiten kurz nacheinander. Meine Knöchel fühlten sich folglich nicht gut an und ich hatte noch so 10 Kilometer teils brutales Gefälle vor mir. So schief lief es noch nie. Ich habe also das gemacht, was ich auch noch nie machte; ich bin mit leichten Schmerzen so schnell gelaufen, wie es geht. (Jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, kann ich sagen, ich habe zum Glück keine bleibenden Schäden behalten.)

Das ganze Drama passte aber (leider) perfekt zu der Landschaft mit all den toten Bäumen am Streckenrand. Das sieht einfach immer noch sehr traurig aus und ich bin froh, dass ich das noch in Grün erleben durfte.

Wer sich jetzt vielleicht denkt, das sei hier Jammern auf hohem Niveau, der liegt nicht ganz so falsch. Natürlich war ich für meine Leistungsklasse noch schnell unterwegs, aber ich dachte mir eben, dass es etwas schneller gehen müsste. Das wollten die Beine aber nicht. Schlimm ist das für mich nicht, es war einfach nur schade.

Das Foto bei Kilometer 20 habe ich trotzdem wieder geschossen. Auch wenn 1:57 Stunden für diese Strecke für mich gut sind, so stand die Uhr vor fünf Jahren bei 1:52 Stunden.

Die letzten sechs Kilometer zogen sich dann ganz schön, aber ich ließ laufen was geht. Von den Knöchelschmerzen spürte ich nichts mehr. Aber schneller konnte ich auch nicht mehr laufen. So etwa beim letzten Kilometer lief ich dann auf einen Läufer auf, Torsten S., der mir noch zurief, dass er sich auf den Bericht freuen würde. Ich war erfreut und motivierte ihn noch mitzuziehen. Einen Gruß an dieser Stelle.

Und wieder wollte ich schneller laufen, aber da ging nix mehr. Ich war platt, auch wenn ich nicht so aussah. Beim Zieleinlauf verpasste ich meinen Rekord um 6:42 Minuten und bin mit einer Zeit von 2:24:31 Stunden zum Stehen gekommen. Ob das nun die letzten fünf Jahre Lebenszeit waren, die zwei Kilogramm Gewicht, Whiskey und Rum oder was weiß ich.. wer weiß das schon. Verpasst ist verpasst. Vergeigt möchte ich jetzt natürlich nicht sagen, denn diesen Lauf generell laufen zu können, erfreut mich immer wieder. Und so hart es auch ist, nur hoch und runter zu laufen, so ist es weiterhin mein Lieblingslauf. Genau das ist es ja, was diesen Lauf ausmacht. Wer weiß, vielleicht greife ich irgendwann noch einmal an – es reizt mich ja jetzt schon wieder.

Auch in diesem Jahr hat mir der gesamte Ablauf des Brockenlaufes wieder sehr gut gefallen. Für mich stimmt da immer alles, auch wenn ich vielleicht irgendwelche Problemchen nur nicht mitbekam die es vielleicht irgendwo gegeben hatte. Ich finde vor allem die Verpflegung immer ganz prima und das dort angetroffene Personal ist immer so nett und freundlich. Die Mails von Martin sind ebenfalls immer sehr passend und informativ, vor wie auch nach dem Lauf. Insgesamt ein sehr gelungener Tag!

Auch bei diesem Brockenlauf traf ich zum wiederholten Mal Torsten F. und es war mir mal wieder eine Freude dich zu sehen.

Nach der Siegerehrung gab es dann wieder ein paar Kalorien in Form von Burgern und Pommes. Diesmal allerdings nur 2500 kcal, mehr hatte der Lauf laut meiner Uhr nicht verbrannt. Und zum Abschluss des Tages gab es natürlich Whiskey!

Jetzt, genau eine Woche nach dem Lauf kann ich noch von den Nachwirkungen berichten. Am Sonntag wollte ich noch einmal über den Brocken wandern, was aber leider aufgrund eines Brandes und der damit verbundenen Sperrung nicht möglich war. So wurden es gemütliche 14 Kilometer in der heimischen Umgebung. Natürlich mit Muskelkater, der insgesamt vier Tage präsent war. Also absolut angemessen für mich, die vier Tage hatte ich bis jetzt immer. Ok, am Mittwoch war er auch nur noch sehr schwach spürbar.

Alle Informationen zum Brockenlauf gibt es auf der Webseite des Brockenlaufvereins www.brockenlauf.de. Einen lieben Gruß und ein dickes Dankeschön an alle des Brockenlaufvereins!

Sportliche Grüße und bis zum nächsten Mal
Alex

4 Gedanken zu „Brockenlauf 2022

  1. Hallo Alex,

    vielen Dank wieder für den schönen Bericht!! Ich mache – zufällig wie Du – seit 2013 beim Brockenlauf mit (auch mein absoluter Lieblingslauf!) und ich freue mich jedes Jahr, von Dir zu lesen, wie Du den Lauf und die Zeit davor erlebt hast.

    Viele Grüße
    Torsten

    PS: Der letzte km war Dank Dir echt nochmal flott, vielen Dank fürs Mitziehen!!

  2. Hi Torsten,
    danke dir für die netten Worte. Das ist ja ein Zufall seit 2013. 🙂
    Und es stimmt, der letzte Kilometer war tatsächlich nochmal ziemlich schnell, wobei ich mich schon davor lange am Limit bewegte. Aber du konntest noch gut mitgehen. Absoluten Respekt hast auch noch verdient, dass du eine Sekunde nach mir ins Ziel bist, denn du hättest mich locker stehen lassen können auf den letzten Metern! Das habe ich in der Vergangenheit auch schon anders erlebt von so manchen Läufern.

    Schönen Grüß
    Alex

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