Nach meiner ersten Teilnahme beim Halbmarathon in Bräunlingen stand für mich damals schon fest, dass ich auch am 09.10.2016 dabei sein wollte.
Ein besonderes Training für diesen Lauf hatte ich nicht durchgeführt. Nach dem Brockenlauf Anfang September folge eine Woche später der 3. Schinkenlauf und am 03.10. der Staufener Altstadtlauf. Das bedeutete für mich, dass ich diesen Halbmarathon einfach mit meinem aktuellen Leistungsstand laufen wollte. Eine optimale Vorbereitung geht zwar anders, aber ich fühlte mich durchaus fit.
So legte ich mir diesen Lauf zurecht…
Bei diesem Lauf, übrigens der einzige Halbmarathon in diesem Jahr, den ich überhaupt auf Zeit gelaufen bin, war es mal wieder soweit. Schon Wochen davor hatte ich den Gedanken im Kopf meine Bestzeit vom Vorjahr zu knacken. Ich analysierte etwas genauer alle Daten vom Vorjahr und stellte fest, dass ich durchschnittlich mit einer Pace von 4:50 min/km unterwegs war. Dabei konnte ich die ersten 11,5 Kilometer bergauf mit einer 5er Pace erledigen, bergab war ich deutlich schneller, sodass am Ende meine bis dato schnellste Halbmarathonzeit von 1:41:59 Std. heraus kam.
Nach der realistischen Einschätzung meiner körperlichen Verfassung konnte ich mir sogar vorstellen, die 1:40 Std. zu knacken, wobei dafür eine Pace von 4:44 min/km nötig ist. Am Mittwoch vor dem Wettkampf führte ich einen kleinen Trainingslauf durch, um die Geschwindigkeit zu prüfen. Nach 5 Kilometern Einlaufen beschleunigte ich auf eine Pace zwischen 4:30 und 4:45 min/km und zog das für knapp 20 Minuten durch. Ich erreichte dabei noch nicht einmal meinen Wettkampfpuls, was mich sehr optimistisch stimmte.
Einen Tag nach diesem Trainingslauf stieg ich aufs Rad und belastete meine Oberschenkel auf 20 Kilometern in 48 Minuten über den Tuniberg. Damit erreichte ich ein schönes Oberschenkelbrennen und war der Meinung, alles mir noch Mögliche für diesen Lauf getan zu haben. Freitag und Samstag verbrachte ich absolut sportfrei und stopfte mich wie immer mit vielen Kohlenhydraten voll.
Damit lag letztendlich mein Wettkampfgewicht bei 90 Kilogramm, im letzten Jahr waren es noch 92,4 Kilogramm.
Der Wettkampftag
Sonntag Morgen bereitete ich mir eine große Schale Müsli mit Bananen und vielen Rosinen zu, was für mich vor einem Wettkampf total untypisch ist. Normalerweise esse ich nur ein paar Toasts mit Honig. Weil ich aber schon kurz nach 6 Uhr wach war und gemütlich auf dem Sofa das Formel 1 Rennen in Suzuka verfolgte, dachte ich mir, dass das durchaus für eine gute Energieversorgung beitragen könnte. Schließlich startete der Wettkampf erst um 10 Uhr.
Ausgeschlafen war ich übrigens gar nicht, wenn es hochkommt hatte ich 4 Stunden. Ich konnte die Nacht irgendwie schlecht einschlafen, auch wenn ich keinen Funken Aufregung fühlte.
Während ich so mein Müsli in mich hineinschaufelte, ging ich die Strecke nochmal durch und teilte sie in Abschnitte ein. Mir war klar: Desto besser ich die erste Hälfte schaffen würde, desto leichter hätte ich es auf der zweiten Hälfte. Wie sage ich immer so schön: Ein Lauf auf der Rasierklinge, denn bin ich die Bergaufstrecke zu schnell, würde ich auf der Bergabstrecke wohl Probleme bekommen. Also war ich gezwungen, meinen Puls während der ersten 11,5 Kilometer möglichst unter Kontrolle zu halten, so fünf Schläge unter meinem Wettkampfpuls von etwa 165. Danach könnte ich es laufen lassen. Ein weiterer Abschnitt ist die brutale Bergabstrecke nach und durch das Örtchen Unterbränd. Hier war ich im letzten Jahr viel zu schnell hinunter gelaufen, sodass ich danach etwas brauchte um mich wieder zu erholen. Das wollte ich diesmal auf jeden Fall besser machen.
Die letzten drei Kilometer für das Finale ließ ich mir offen, denn da steht auch bei mir ein Fragezeichen, wenn ich an der Grenze des Machbaren laufe. Je nachdem, wie gut ich nach dem Start drauf bin und das Zusammenspiel zwischen Puls und Pace passen würde, desto besser klappt das Finale. 🙂
Was den Start angeht, so wollte ich möglichst nicht zu schnell starten, damit der Körper wenigstens etwas die Möglichkeit hat warm zu werden.
Soviel zur Theorie und Vorbereitung.
Die Fahrt nach Bräunlingen zeigte, dass die Wettervorhersage nicht geschummelt hatte. Als Janine und ich dort ankamen, standen 5°C auf der Temperaturanzeige meines Autos. Perfekt, dachte ich mir, das ist genau das richtige Wetter: kalt und kein Wind.
In der Stadthalle holte ich meine Startnummer ab und anschließend suchten wir einen passenden Platz für die letzten Vorbereitungen. Ich hatte noch knapp 30 Minuten Zeit bis zum Start, was mir aber ausreichte. Auf ein Warmup verzichtete ich diesmal, ich aß lieber noch eine Banane, zog mir 5 Minuten vor dem Start ein Kohlenhydratgel rein und trank noch etwas Wasser. Danach begab ich mich zum Start…
Wie im letzten Jahr waren die Startblöcke gerammelt voll. Klar, man kann etwas eher gehen, muss man aber nicht. 🙂
Zwar überlegte ich noch, mich irgendwo reinzudrängeln, bin dann aber doch ganz nach hinten gegangen. Das kannte ich schon, denn hier stand ich bei meiner ersten Teilnahme schon. 🙂
Ich freute mich auf den Start und hatte nur eins im Kopf: Nicht über 160 Puls aber gleichzeitig unter einer 5er Pace! Und mit diesen Gedanken bewegte ich mich langsam über die Startlinie. Gerade die ersten 200 Meter war ich mit einer Pace von weit über 6 unterwegs und suchte mir Lücken zum Überholen.
Mein erstes Ziel: die ersten 10 Kilometer unter 50 Minuten erreichen – egal wie.
Ich vermute mal, dass eine Luftaufnahme sicherlich interessant gewesen wäre. Ein leuchtend giftgrüner Punkt springt im Zickzack durch die Läufermassen. So etwas ist ziemlich kraftraubend, aber ich konnte auch nicht warten, bis sich das Feld auseinander gezogen hatte. Dieses Springen dauerte aber nur etwa zwei Kilometer und ab da wurde es angenehmer. Ich stabilisierte meine Pace auf 4:50 min/km und das funktionierte sehr gut. Wie ich nach dem Rennen feststellte, legte ich den ersten Kilometer bereits in 4:44 Minuten zurück! Viel zu schnell, aber das hab ich gar nicht gemerkt, da der Puls zu der Zeit noch unter 150 schlug.
Nach dem 5. Kilometer zog ich mir eine meiner drei Gelpackungen rein, die ich mir für unterwegs mitnahm. Direkt im Anschluss erreichte ich die erste Verpflegungsstation, die mit Iso, Tee, Bananen und Wasser ausreichend bestückt war. Ich nahm mir einen Becher Wasser und bin ohne zu stoppen weitergelaufen.
Jetzt nochmal fünf Kilometer, ging mir durch den Kopf. Ich hatte knapp 24 Minuten auf der Uhr und lag damit gut in der Zeit. Der Weg bis Kilometer 10 verging wie im Flug und bereits nach 48 Minunten hatte ich diesen Punkt erreicht! An dieser Stelle drückte ich mir Gel Nummer 2 rein.
Ich wußte, nicht mehr weit und es geht bergab! Beim 11. Kilometer machte ich ein kleines Video um den aktuellen Zustand festzuhalten, was auf Bildern nicht immer so deutlich rüber kommt.
Bei Kilometer 11,5 führte die Schotterpiste auf eine Straße, an der Janine, Sabine und Michael u. a. auch mich anfeuerten. Danke dafür! Das war mein Startschuss für den zweiten Teil des Rennens. 🙂
Kurz nachdem ich jedoch diesen Bereich passierte, spürte ich in den hinteren Oberschenkeln ein unangenehmes Ziehen, welches ich noch gar nicht kannte. Schon bei Kilometer 6 hatte ich so ein minimal komisches Gefühl, konnte es aber nicht zuordnen. Waren das Krämpfe? War ich zu schnell? Nein, unmöglich! 🙂
Ich versuchte, mich bergab in einem Bereich zwischen Pace 4 und 4:30 min/km zu bewegen, was mir auch gelang. Beim Örtchen Unterbränd war ich diesmal auch nicht ganz so schnell und schonte damit meine Beine. Das Ziehen in den Oberschenkeln versuchte ich einfach zu ignorieren.
Recht schnell erreichte ich den 15. Kilometer und nahm mein letztes Gel. Ich fühlte mich gut und konnte weiter das Tempo laufen. Genau bei Kilometer 16 sprang ein kleiner kantiger Stein in meinen linken Schuh. Ich versuchte noch, ihn vor dem entgültigen Eindringen herauszupulen, aber das klappte nicht und von da an hatte ich einen nervenden Begleiter am linken Fuß! Anhalten kam natürlich überhaupt nicht in Frage…
Beim 17. Kilometer rechnete ich kurz nach und stellte fest, dass ich bis 1:40 Std. noch 20 Minuten Zeit hatte. Genau an dieser Stelle war mir klar, dass ich es geschafft hatte! Ich war mir absolut sicher, dass ich unter 1:40 Std. ins Ziel laufen würde. Ich hatte so viel Zeit übrig, dass ich auch langsamer hätte laufen können, rannte aber trotzdem mit etwa 4:30 min/km dem Ende entgegen.
Noch nie freute ich mich so über einen Erfolg vor dem eigentlichen Rennende. Ich weiß, man sollte einen Lauf nicht vor der Ziellinie feiern, aber was hätte mich jetzt noch aufhalten können? Ich war wohl so voller Adrenalin, dass ich sogar die letzte Verpflegungsstation ausgelassen hatte… und dann kam der 19. Kilometer!
Wie soll ich es beschreiben? Vor mir tauchten immer wieder einzelne Läufer auf, die ich versuchte zu überholen. Ich spürte jedoch, dass mir langsam die Kraft verloren ging. Das merkte ich daran, dass ich die Pace zwar halten konnte, der Puls aber langsam immer schneller wurde. Neben dem Kräfteverlust könnte es auch daran gelegen haben, dass die Strecke immer flacher wurde und für die Pace einfach mehr Kraft nötig war.
Ok, dachte ich, jetzt ist es soweit, mal sehen was die “Maschine” aushält.
Ich konnte in diesem Race-Modus noch ein paar Läufer überholen und beim letzten Kilometer erreichte ich damit einen Durchschnittspuls von 172!
Die letzten 200 Meter, also auf der Zieleinlaufstraße, konnte ich noch einmal auf Pace 3:35 min/km beschleunigen. Ich wollte auf keinen Fall noch einmal überholt werden und wußte gar nicht, dass ich verfolgt wurde, denn ich drehe mich nie um am Ende eines Laufes. Den Läufer hinter mir sah ich erst später auf dem Bild.
Nachdem ich die Ziellinie überschritten hatte, war es vollbracht: Rekord! Ich brauchte ein paar Sekunden, um meinen Puls etwas zu beruhigen und war gleichzeitig sehr glücklich! Es hatte mir unheimlich Spaß gemacht mich bis ans Limit zu belasten. Wenn dabei noch solch ein Rekord herauskommt, ist es traumhaft!
Mit einer Zeit von 1:38:04 Std. konnte ich meine bisherige Bestzeit auf der gleichen Strecke um 3:55 Minuten verbessern. 🙂
Nachdem ich aus dem Zielbereich ging und mir etwas zu Trinken nahm, stand ich vor dem Sprecherwagen, in dem Peter unermüdlichen Einsatz für alle Läuferinnen und Läufer an den Tag legte. Kurz darauf hörte ich den Namen Whiskey Running Team und etwas über das Team, als er plötzlich neben mir stand und mich fragte, wie viele Gallonen Whiskey ich denn getrunken hätte. Das klingt jetzt irgendwie völlig bescheuert, aber ich antwortete ganz stumpf: “Sechs!”
Hallo? Wie kam ich denn auf solch eine Antwort? Das zeigt doch ganz eindeutig, dass mein Kreislauf dem Hirn direkt nach dem Lauf immer noch keinen Sauerstoff zur Verfügung gestellt hatte. 🙂
Nicht einen Schluck habe ich getrunken! Ich meine, natürlich muss ja irgendwie der “Whiskey” in unseren Namen gekommen sein, aber die Geschichte begann nicht damit, dass wir dauerhaft Whiskey tranken – schon gar nicht vor oder während eines Wettkampfes. Tatsächlich begann die Geschichte des Whiskey Running Team ganz anders…
Dennoch: Das Versprechen, welches Peter von mir forderte, im nächsten Jahr an den Verpflegungsstationen Whiskey ablegen zu lassen, klingt nach einer interessanten Herausforderung für das Whiskey Running Team. 🙂
Janine griff schnell ihr Smartphone und filmte die letzte Minute des Gespräches, welches ihr auf unserer Facebook-Fanseite sehen könnt.
Nach diesem netten Erlebnis bin ich erstmal in die warme Halle zurück und habe mich umgezogen. Anschließend holte ich mir noch meine Urkunde ab und irgendwann, nach dem gemütlichen Zusammensitzen, bin ich dann mit Janine zu Burger King gefahren und habe voll zugeschlagen! So, wie sich das gehört! 🙂
Die gesamte Veranstaltung war bestens organisiert, die Verpflegungsstationen waren mit allem ausgestattet, was man als Teilnehmer/-in benötigte. Sogar Bananen hätte es für Oli gegeben. 🙂
Was für ein schöner und erfolgreicher Tag!
Sportliche Grüße
Alex